Das Bonner Deserteur - Denkmal / Das Fehlen eines Menschen ...
Zum Mahnmahl
Das Bonner Deserteur Denkmal auf dem "Platz der Einheit in Potsdam"
In den weißen Carrara-Blöcken, an denen Bohr- und Bruchstellen teilweise sichtbar bleiben und die ungeeignet erscheinen, eine menschliche Behausung zu bilden, hinterlässt eine männliche Figur ihren Abdruck. Die Skulptur bietet von allen Seiten neue Ansichten und Durchblicke. Die fehlende Figur bestimmt magisch und wesenthaft die Wirkungsweise des Denkmals und löst Mechanismen in der Reflexion aus, die nicht gänzlich unerwartet, aber für Überraschungen gut sein können. Das Fehlen thematisiert Angst.
Angst vor dem Tod und vor dem Töten.
Angst davor, die Schnittstelle zwichen der Pflicht gegenüber der Gemeinschaft und der individuellen Überzeugung nichts zu erkennen, oder, ist sie erkannt, nicht zu akzeptieren. Angst vor der Diskreditierung gelebten Lebens oder des künftigen.
Angst vor der eigenen Courage.
Angst vor der eigenen Feigheit.
Angst davor, in der Medienwelt mit Pseudoängsten überhäuft, keine Angst mehr zu haben.
Angst, dass der Abdruck passen könnte ...
Analog zum klassischen Konflikt des Soldaten zwischen Eid und Gewissen zeigt sich das Dilemma auch sprachgeschichtlich:
Das im Sinne von Abwesenheit gebrauchte Wort "Fehlen" ist auf dem selben Ursprung zurückzuführen, wie Fehler oder falsch. Der öffentlichen Diskurs über die Ehrung einer bislang verschwiegenen oder verschmähten Minderheit wird durch die Pluralität der modernen Gesellschaft ermöglicht, aber auch erschwert. Das Aufbrechen der Wertesysteme und die Individualisierung des gesellschaftlichen Lebens schaffen neue Anforderungen an die politische Kultur, das heißt auch an den demokratischen Grundsatz von Besonnenheit und Toleranz.
Heinrich Böll fragte 1953: "Wo sind die Deserteure? Wo sind die Eltern, sind die Freunde, die Brüder und Schwestern dieser erschossenen Deserteure, deren Leiden man auf die Schwelle des Friedens häufte? ...
Und wo sind die Deserteure, die sich in den zerstörten Städten verbargen, in den Dörfern und Wäldern, wartend auf die Alliierten, die für sie damals wirklich Befreier waren? Haben sie Angst vor den gründlichen ihnen eingeimpften Phrasen, die Fahneneid, Vaterland, Kameradschaft heißen?"
Der Deutsche Bundestag beschließt 1999 ein Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile, das auch die Deserteure des zweiten Weltkrieges rehabilitiert.